Wenn Integrationsvorhaben aus M&A-Transaktionen mehr oder weniger krachend scheitern – und dies passiert statistisch bei etwa einem Drittel bis zur Hälfte aller Deals – wird häufig „mangelhafte Kommunikation“ oder eine „zu große organisationskulturelle Unterschiedlichkeit“ als Ursache angeführt. Tatsächlich laufen viele Integrationsprojekte den volatilen Merger-Dynamiken bestenfalls hinterher, sie kommen nicht „vor die Lage“ und reagieren nur auf sichtbar werdende Dysfunktionalitäten, anstatt die Integration aktiv und vorausschauend gestalten zu können.
Selbst Konzerne, die sich als „serial acquirer“ bezeichnen, tun sich hier mitunter schwer. Allzu oft wird dem Deal making eine ungleich höhere Aufmerksamkeit zuteil als der darauffolgenden Integration. Nicht selten wird vor allem die technische und finanzielle Systemintegration beplant nach dem Motto: „business does the integration“, Kultur- und Zusammenarbeitsthemen bleiben, wenn überhaupt, im Hintergrund. Insbesondere wenn große Konzerne kleine targets kaufen, ist das Risiko des Scheiterns auch bei Konzernen mit institutionalisierten PMI-Kompetenzzentren noch hoch.
Erfolgsfaktor: Eine belastbare Integrationsstrategie entwickeln
Eine belastbare Integrationsstrategie verbindet die Erwartungen aus dem Business Case mit den Realitäten aus dem Deal sowie den Potentialen für eine möglichst erfolgreiche gemeinsame Zukunft.
Je nachdem, welcher Akquisitionstyp vorliegt, bspw. eine markterweiternde laterale Akquisition oder eine auf die Optimierung der Wertschöpfungskette ausgerichtete vertikale Akquisition, ergeben sich andere Notwendigkeiten und Prioritäten für die Integration. Auch die Frage, wie weit bzw. wie tief überhaupt integriert werden soll, lässt sich nicht linear aus dem Business Case ableiten und bedarf einer integrationsstrategischen Klärung – vor dem Closing.
Grundsätzlich sind die in der Abbildung beschriebenen sechs Handlungsfelder einzeln und in ihrer Gesamtwirkung auf ihre jeweilige Machbarkeit, auf die Verfügbarkeit der notwendigen Ressourcen sowie auf die organisationsspezifische PMI-Kompetenz und die damit jeweils verbundenen Risiken hin kritisch zu prüfen. So könnte bspw. die eigene IT-Abteilung innerhalb von sechs Wochen relativ problemlos die IT des Zielunternehmens auf die eigene Plattform migrieren. Allerdings wäre das Zielunternehmen damit faktisch stillgelegt.
Erfolgsfaktor Day 1: You never get a second chance to make a first impression
Day 1 hat eine überragende Bedeutung für den an diesem Tag gemeinsam beginnenden Integrationsprozess: Gelingt es, diesen Tag als einen positiven Referenzpunkt zu gestalten, der bei allen Beteiligten Orientierung schafft und auch Lust und Neugier auf die bevorstehenden Mühen der Integration weckt, dann stabilisiert und temperiert er die volatilen Merger-Dynamiken. Wird die Gelegenheit verpasst, bleibt eine Lücke dort, wo ein gemeinsamer Start hätte stattfinden sollen.
Aber auch wohlgemeinte Day 1-Aktivitäten verfehlen ihr Ziel, wenn die Mitarbeitenden aus dem Target feststellen, dass das nach dem Day 1 erlebte Verhalten des Käuferunternehmens vom Gesagten und Erlebten am Day 1 abweicht. Die Mitarbeitenden aus dem Target-Unternehmen beobachten genau, wie glaubwürdig und belastbar die Botschaften des Käuferunternehmens tatsächlich sind.
Day 1 hat damit zwei Funktionen: Zum einen ist es die erste Gelegenheit, den neuen Mitarbeitenden zu sagen: „Willkommen, es ist gut, dass Sie an Bord sind, wir freuen uns darauf, einander kennenzulernen und wollen gemeinsam an unserer Zukunft bauen“. Das Ritual des emotionalen Aufnehmens ist wichtig, um dem möglichen „Merger-Syndrom“ zu begegnen: Wer „gekauft“ wurde, hat ja irgendetwas nicht „richtig“ gemacht, ist in einer scheinbar schwächeren Position, wer „kauft“ erscheint potenter, mächtiger. Dies trifft umso mehr zu, wenn das Target in einem Asset-Deal oder als Teilunternehmen auch schon im Herkunftsunternehmen nicht an erster Stelle stand.
Zum anderen ist Day 1 der Tag der wesentlichen Botschaften: Was ist unsere Vision, was ist unser Plan? Was wird sich ändern, was wird bleiben? Wie gehen wir genau vor, wo kann man sich informieren? Auch wenn noch nicht alle Entscheidungen inhaltlich klar sein können, in jedem Fall kann für die Mitarbeitenden eine zeitliche Absehbarkeit der Entscheidungsfindung und der Beteiligungsmöglichkeiten bspw. bei geplanten Zusammenlegungen von Standorten mitgeteilt werden.
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