„Mitarbeiter sind zum Arbeiten da, wozu brauchen sie eine Vision? Vor allem, wenn die Geschäftsführung keine hat!“
Vision?
Solche Aussagen höre ich in fast jedem Führungskräftetraining. Auch sehr beliebt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!“ Dann wird gelacht und abgewunken. Kaum zu glauben, dass es in unserer heutigen volatilen Zeit noch nicht bis in alle Führungsebenen vorgedrungen ist, dass ohne eine persönliche Vision, die mit Leidenschaft umgesetzt wird, keine Erfolge erzielt werden können. Steve Jobs wird erwähnt und bewundert für seine innovativen Visionen. Im gleichen Atemzug wird klargestellt, dass er eine miserable Führungskraft war. Auch Elon Musk kommt in Sachen Führung nicht gut dabei weg.
Scheinen sich Visionen und gute Führung zu widersprechen?
Die größte Quelle für wahres Glück und echte Erfüllung im Leben und im Arbeitsalltag ist, einen Sinn zu finden in dem, was wir tun und diesen jeden Tag aktiv zu leben. Diesen Sinn zu leben, steht immer in Beziehung zu anderen Lebewesen und der Welt im Gesamten. Bei der essenziellen Führung ergibt sich der Sinn aus der Erkenntnis einer persönlichen Lebensaufgabe, die natürlicherweise auch als Führungsaufgabe gelebt wird. Der „Beitrag für die Welt“ ergibt sich als natürliche Konsequenz, wenn Sie aus Ihrer Einzigartigkeit und im Einklang mit Ihren Werten handeln. Dieser Beitrag ist immer auch eine Vision! Manager, die gemäß des Essenz-Modells ihre Lebensaufgabe erkannt haben, wissen um ihre Vision und werden sich den Platz im Unternehmen, ja das Unternehmen selbst suchen, das sie ihren Sinn erfüllen lässt.
Wer sein „Warum“ kennt, kennt seine Vision
Viele Führungskräfte haben keine Vision, wo sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinwollen und welchen Beitrag sie leisten können.
So erstaunlich, wie dies auf den ersten Blick klingt, ist dies gar nicht. Denn: Die meisten Firmen kennen ihr Warum ebenfalls nicht.
Der Beitrag eines Unternehmens wird fast immer darin gesehen, Produkte herzustellen und damit Gewinne zu erwirtschaften. Im klassischen Denken wird jeder Einzelne, ob Führungskraft oder Mitarbeiter, gemäß seiner Ausbildung, Kompetenzen, Erfahrungen und seines Wissens eingestellt und trägt dann – wie es seine Arbeitsplatzbeschreibung vorsieht – dazu bei, die Firma profitabel zu halten.
Die einzige Aufgabe von Führung ist in dieser Konstellation, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu zu bringen, das Ziel zu erreichen, das mit ihnen vereinbart wurde. Ein Beitrag im Sinne von sinnstiftendem Arbeiten ist hier nicht vorgesehen.
Auch Richard K. Sprenger erkennt in seinem Buch „Radikal führen“ die Bedeutung des Beitrags. Nachdem er viele anregende Ideen und Aspekte zum Thema Führung beleuchtet, schließt er auf den letzten drei Seiten mit der Erkenntnis, dass ein erfülltes Leben für uns Menschen nur möglich sei, wenn wir einen Unterschied im Leben anderer machen. Er ruft eindringlich dazu auf: Seien Sie ein Beitrag!
Essenziell Führen
Hier setzt der essenzielle Führungsstil an! Die erste Bedingung, die Sie als Führungskraft dafür erfüllen müssen, ist, dass Sie Ihren Beitrag, ihr eigenes „Warum“ kennen. Lautet Ihr Beitrag beispielsweise „…damit Menschen eine lebenswerte Umwelt genießen können!“, dann sind Sie in einem Unternehmen gut aufgehoben, dass Nachhaltigkeit fördert. In vielen Firmen ist Nachhaltigkeit heute jedoch bloßes Marketing.
Dies ist Ihre zweite Aufgabe: Sie müssen abgleichen, ob Ihre Lebens- bzw. Führungsaufgabe mit den Werten und dem Beitrag des Unternehmens, in dem Sie arbeiten, übereinstimmt. Wenn dies gelingt, können Sie als Führungskraft einen Platz finden, an dem Sie sich vollständig entfalten können.
Die dritte Bedingung: Sie müssen Ihren Willen, ein Beitrag zu sein, aussprechen. Diese Deklaration vor den Mitarbeiterinnen und Ihren Vorgesetzten ist eine absolute Notwendigkeit. Die Lebensaufgabe wird nur dann zur Führungsaufgabe, wenn dies im Unternehmen bekannt ist und Sie selbst und andere sich darauf berufen können. Genauso verhält es sich auch mit dem Beitrag. Denn auch das ist etwas ganz Neues. Die wenigsten Führungskräfte stellen sich vor ihre Mitarbeiter und sagen klar und deutlich: Ich will meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Blühen bringen oder sie in ihrer Entwicklung unterstützen oder Exzellenz ermöglichen.
Eine weitere Bedingung muss das Unternehmen erfüllen: Dieses muss den Beitrag der Führungskraft anerkennen und ihn als Teilbeitrag integrieren in den Gesamtbeitrag des Unternehmens.
Sind diese Bedingungen erfüllt, arbeitet ein Unternehmen nach vollkommen anderen Maßstäben. Profit ist dann ein Ziel unter vielen, er steht nicht mehr im Mittelpunkt. Das ist eine völlig neue Art zu denken. Es gibt bereits einige wenige Firmen, die diesen Weg gehen. Aber ich bin überzeugt davon, dass Unternehmen ohne ein klares „Warum“ einer leidenschaftlichen Vision in Zukunft keinen Erfolg mehr haben werden. Und je mehr Pioniere zeigen, dass dieser Weg funktioniert, desto schneller wird der Mainstream folgen.
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Lesen Sie auch den Beitrag „Führung und Gefühle?“ des Autors.
In dem Buch „Essenzielle Führung. Wie die Führungsaufgabe zur Lebensaufgabe wird“ stelle ich ein neues, von mir entwickeltes Führungsmodell vor: das Essenz-Modell. Es nimmt die Mitarbeitenden als individuelle Menschen wahr und beschreibt eine partnerschaftliche Führung auf Augenhöhe.