Eine immer wieder vorkommende Szene: Im Endspiel des Fußballturniers wirkt der Gegner überlegen, der eigenen Mannschaft will nichts gelingen. Zum fehlenden Glück kommt auch noch Pech dazu. Ein verschossener Elfmeter, rote Karte, Endstand: 0:5. Nach dem Spiel ist der Schuldige schnell ausgemacht: „Der Schiedsrichter hat gegen uns gepfiffen!“ Reaktionen dieser Art findet man bei Unternehmenskrisen zu Krisenbeginn in sehr ähnlicher Form.
Wer hat die Schuld?
Die Suche nach Schuldigen ist ein altbekanntes Verhaltensmuster. Man fühlt sich besser, wenn ein Schuldiger feststeht. Jeder Hauch von Verantwortung fällt so von einem selbst ab. Zudem gibt ein identifizierter Sündenbock das Gefühl, alles (wieder) unter Kontrolle zu haben. Das stärkt besonders in Krisen Zuversicht und Selbstbewusstsein. Meist sind die Schuldigen auch schnell gefunden: der Chef, der Einkauf, die IT etc. Dieses „Blame Game“ sorgt aber nur kurz für Erleichterung. Es löst weder die Probleme noch die Krise, erzeugt aber oft schalen Beigeschmack. Davon konnte 1998 schon der Trainer des FC Bayern Giovanni Trappatoni in der legendären Pressekonferenz ein Lied singen: „Ich habe immer die Schulde!“.
Eine Sache der Kultur
Nicht überall wird sofort nach Schuldigen gesucht. Westliche Kulturen neigen zu diesem Blaming, in japanischen Firmen sucht man hingegen bei Problemen in erster Linie nach Lösungen. Einer der 14 Punkte des Vaters des modernen Qualitätsmanagements, William E. Deming, lautet „Eliminiere die Angst“. Eine Fokussierung auf die Suche nach Lösungen anstatt nach Schuldigen trägt hierzu wesentlich bei.
Verweigerung der Mitarbeit
„Jetzt sollen wir das alles wieder ausbaden!“ Dieser Satz tritt regelmäßig bei Veränderungsprojekten auf, wenn durch scheinbare Managementfehler oder ungünstige Marktentwicklungen negative Folgen für die Mitarbeiter auftreten. Weil sich die Menschen für die Misere nicht verantwortlich sehen, lehnen sie es ab, die Auswirkungen zu tragen. Oft verweigern sie sogar die Mitwirkung an den Veränderung zur Problembewältigung.
Verantwortung annehmen und lernen
An Unternehmenskrisen haben trotz externer Ursachen aber häufig auch das Unternehmen selbst und die Mitarbeiter eine gewisse Mitverantwortung. Eine unzureichende Krisenprävention, falsch eingeschätzte Risiken oder man hat sich die letzten Jahre einfach nicht mehr genügend angestrengt. Erkennt man die eigene Mitverantwortung, erzeugt dies bei den Menschen meist Akzeptanz. Dann müssen keine Sündenböcke mehr gesucht werden. Verantwortung zu erkennen und anzunehmen ist also positiv. Die Verantwortlichen dann in Sündenbockhaltung „einen Kopf kürzer“ zu machen jedoch nicht. Jeder Manager und jeder Berufstätige macht Fehler. Dies lernbereit zu akzeptieren ist Grundlage einer veränderungsfreundlichen, lernenden Organisation.
Manchmal gibt es keine „Schuldigen“
Auch wenn es manche oft nicht wahrhaben wollen: es gibt Unglücksfälle und Katastrophen wie die Corona-Krise, für die es keine eindeutig Verantwortlichen gibt. Damit muss man sich abfinden. Dies fokussiert dann die Kräfte aber schnell auf die Suche nach Lösungen. Dadurch lassen sich die Changeprozesse zur Krisenbewältigung schneller positiv gestalten.
Beim nächsten Mal gewinnen wir!
Bleibt man wie beim Fußballspiel dabei, dass nur der Schiedsrichter (oder die Chefin, die Regierung etc.) „schuld ist“, wird man aus der Niederlage oder Krise nur wenig für die Zukunft mitnehmen. Gesteht man aber die Überlegenheit des Gegners (oder Wettbewerbers) ein, erkennt man die eigenen Schwächen und nimmt man die eigene Verantwortung dafür an, lässt sich die momentane Krise besser bewältigen und man lernt für die bestmögliche Vermeidung der nächsten.