Über die Steuerberaterbranche bricht die Krise gleich doppelt herein: Betroffen sind nicht nur die eigenen Kanzleien, sondern auch viele Unternehmensmandate. Hier braucht es neben der akuten Unterstützung umfassende Ansätze, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Denn nur eine zukunftsorientiert aufgestellte Kanzlei wird Unternehmenskunden erfolgreich zukunftsorientiert beraten können. Corona hat dabei nicht die grundsätzlichen Aufgaben neu gestellt, sondern lediglich die Geschwindigkeit der Veränderung enorm beschleunigt.
Deutlich ist, dass der Berufsstand des Steuerberaters gefragter ist denn je. Allerdings verschiebt sich der Schwerpunkt der Dienstleistung. Mandanten haben neue Erwartungen an die Branche, was wiederum neue Herausforderungen mit sich bringt und das unter deutlich geänderten Bedingungen: Betriebswirtschaftliche Beratung und Controlling waren nie so wichtig wie heute. Mandanten brauchen einen soliden Gesprächspartner für fundierte, mitunter auch harte Entscheidungen. Die Zukunft gehört den flexiblen Steuerberatern, die kaufmännisches Faktenwissen mit neuen Methoden verbinden und das klassische Steuerberatergeschäft weiterentwickeln.
Aktionsplan entwickeln
Ein Krisen-Aktionsplan hilft, die Lage zu sondieren und fundiert und schnell Entscheidungen zur Krisenbewältigung abzuleiten. Zwölf konkrete Schritte helfen Unternehmen, handlungsfähig zu bleiben:
- Bestandsaufnahme und Risiko-Check
- Aktualität der Zahlen sicherstellen
- Fahrplan für Liquiditätsmanagement aufstellen
- Gut für die Mitarbeiter sorgen
- Kunden- und Lieferanten im Fokus – Zeit für das „Mehr“ an Aufmerksamkeit
- Einsparpotenziale im Unternehmen aufdecken
- Unternehmenszahlen genau steuern und Änderungen simulieren
- Reporting aufbauen
- Die Kraft der Zielplanung nutzen – während der Krise auf Quartalsebene
- Einen detaillierten Unternehmens- und Finanzplan aufstellen
- Maßnahmen, Mitarbeitervereinbarungen und Umsetzungspläne priorisieren – den Zielen feste Termine geben
- Umsetzung und Follow-up
Das Unternehmen neu denken
Neben der akuten Krisenbewältigung ist die Kernfrage doch: Wie agiere ich jetzt, um nach der Krise neu und top aufgestellt zu sein? Ist es möglich, die Kanzlei als Start-Up zu denken und eine Innovationsstrategie zu entwickeln? Wie kann ich meine Mandanten unterstützen, um die Krise zu meistern? Wie schaffe ich Mehrwert für meine Kanzlei? Die Entwicklung einer innovativen Kanzleistrategie steht im Mittelpunkt. Denn das ist bislang oft zu kurz gekommen. Die Deckungsbeiträge sind hoch und das Einkommen der Kanzleiinhaber ist gut. Aber es geht darum, die Steuerkanzlei nicht als Insel zu betrachten, sondern als ein Bestandteil eines komplexen ökonomischen Systems, dessen Wandel man sich nicht verschließen darf.
Neue Geschäftsfelder wahrnehmen
Steuerberater liefern ihren Mandanten betriebswirtschaftliche Auswertungen und geben Antwort, wenn sie um Rat gefragt werden. Controlling und Reporting gehören schon lange zum Repertoire. Der nächste Schritt ist, ihr Wissen verkaufsfähig zu gestalten und aktiv auf die Mandanten zuzugehen. Und das ist gar nicht so schwierig, denn es bestehen ja bereits vertrauensvolle Beziehungen zwischen Kanzlei und Mandanten. Wer dabei allerdings eine „Ich-mache-alles“-Botschaft sendet, wirkt verdientermaßen unglaubwürdig. Das Feld der Betriebswirtschaft ist zu umfangreich, als dass eine einzelne Kanzlei in der Lage wäre, in allen Bereichen als Experte aufzutreten. Klug gewählt sind Geschäftsfelder, die zu den eigenen Kanzleistrukturen passen.
Mit Unternehmenskultur die Leistungsfähigkeit erhöhen
Unternehmer kennen die wichtigsten Hebel zur Ergebnisbeeinflussung. Dazu gehört es, den Input der Mitarbeiter zu optimieren und nicht sich selbst: Die höhere Produktivität von beispielsweise zehn Mitarbeitern in einem Steuerberatungsunternehmen schafft bei gleichen Personalkosten und wahrscheinlich auch bei gleichen restlichen Aufwendungen einen viel höheren Mehr-Ertrag, als sie selbst erreichen können. Dennoch glauben viele Steuerberater keine Zeit zu haben, sich um die Abläufe und Prozesse im Unternehmen zu kümmern, da sie sich wichtigen Projekten, Steuererklärungen und Kontrollen widmen müssen. Zukunftsorientiert ist aber eine Unternehmenskultur, bei der alle Mitarbeiter eigenverantwortlich in und an den Prozessen arbeiten und sich als Teil des Unternehmens verstehen.
Digitalisierung jetzt
Digitalisierung als Thema und als Schlagwort haben wir zur Genüge gehört: Natürlich funktioniert schon vieles digital und einiges mehr wäre machbar. Aber wann, wie, mit wem einführen? Dabei liegt die Chance nicht in der Zukunft, sondern im aktuellen Prozess: Wie können die bisherigen digitalen Prozesse effizienter und effektiver gestaltet werden? Das ist die wichtige neue Perspektive. Denn allein die Verwendung digitaler Technik macht noch lange keine erfolgreiche Digitalisierung aus.
Der frühere Vorstandschef von Telefonica Deutschland, Thorsten Dirks, sagte es so: „Wenn Sie einen Sch… prozess digitalisieren, dann haben Sie einen sch… digitalen Prozess.“ Das trifft eine Wahrheit, die viele Kanzleien noch meiden. Es geht bei der Digitalisierung nicht nur darum, von analog auf digital umzustellen, sondern alle Arbeitsprozesse kritisch zu prüfen und den neuen Bedingungen anzupassen. Betroffen sind neue Arbeitszeitenmodelle, Anpassung der Arbeitsplätze, Fragen der Hierarchie und Mitarbeiterbeteiligung, der Mandantenbindung und der Unternehmenskultur. Kurzum: Die Digitalisierung rüttelt an den konventionellen Vorstellungen von Kanzleiführung.
Steuerberater als Krisenmanager in doppeltem Sinn
In ihrem Buch „Der Steuerberater als Krisenmanager“ stellen Ines Scholz und andere erfahrene Praktiker aus der Steuer- und Unternehmensberatung innovative Beratungskonzepte für Steuerkanzleien rund um Liquiditätsplanung, Controlling und Rechnungswesen vor.