Wenn es um die Einführung von Selbstorganisation geht, suchen viele Führungskräfte gerade ihren Platz zwischen Command-and-Control und Rückzug. Dabei braucht es etwas ganz anderes.
… Der Traum: Chefinnen verschwinden hinter der Bühne und können endlich an strategischen Themen arbeiten. Mitarbeitende sind hoch motiviert und zufrieden. Teams laufen zu Hochleistung auf.
… Der Albtraum: Vorgesetzte wollen, dass das Team sich selbst um seine Belange kümmert, schalten sich aber willkürlich ein und übergehen vom Team getroffene Entscheidungen. Mitarbeitende sind müde davon, sich neu zu organisieren. Und frustriert für alles verantwortlich gemacht zu werden, ohne dass Verantwortung geteilt wird. Im Team gibt es immer wieder Konflikte.
Wie wird Selbstorganisation zum Erfolg?
Der Schlüssel liegt in der richtigen Fragestellung und ihrer konsequenten und kreativen Beantwortung. Die Führungskraft ist hier jedoch nicht die Person mit den Antworten. Sie ist die mit den Fragen. Und eine solche darf einfach sein: „Wie kann das Team optimal auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen, Chancen ergreifen und dabei Herausforderungen optimal bewältigen?“
„Die Führungskraft ist hier nicht die Person mit den Antworten.
Sie ist die mit den Fragen.“
Moderne Führung schafft Rahmen, stellt die richtigen Fragen und hört gut zu
Oft ist ein höheres Maß an Autonomie für das Team schon Teil der Antwort. Das Team kann beispielsweise schneller reagieren, wenn nicht erst Vorgesetzte einbeziehen muss. Sieht das Team hier wenig Bedarf an Selbstorganisation, kann die Führungskraft die Diskussion auf das Thema lenken: „Wie kann dies selbstorganisiert gelingen?“ und: „Welchen Vorteil hat Selbstorganisation im Team?“
Dahinter verbergen sich praktisch drei Fragen:
- Was braucht das Team von der Führung und der Organisation, um erfolgreich arbeiten zu können?
- Was brauchen die einzelnen Mitarbeitenden vom Team, um erfolgreich arbeiten zu können?
- Was braucht das Team von den Einzelnen?
Hier darf auf einem weißen Blatt gedacht werden. Was genau sind die wertstiftenden Aufgaben bzw. Produkte oder Services des Teams? Und wie können die entsprechenden Ziele so autonom wie möglich vom Team erreicht werden?
Diese Fragen können im Team diskutiert werden. Eine sinnvolle Rolle der Vorgesetzten wäre hier genau zuzuhören und einen Blick auf den Rahmen der Zusammenarbeit zu halten. Denn: In der Diskussion tauchen sehr schnell „Wenns“ auf. Diese kann die Führungskraft festhalten und mit dem Team gemeinsam ausarbeiten.
Mit Personas in die Selbstorganisation
Es lohnt sich, dabei die drei Fragekategorien oben einzuführen, um keinen Aspekt zu vernachlässigen. Fällt die Diskussion dem Team schwer, kann die Arbeit mit Personas helfen.
Ausgehend von den Rollen im Team oder Aufgaben wird gefragt: Welche „Personas“ haben wir im Team? Entlang agiler Teamstrukturen in der Softwareentwicklung gäbe es eine Persona für die Entwicklerinnen, den Scrummaster und die Produktownerin. In anderen Teams gibt es vielleicht eine Persona für den Verkäufer/ Kundenberater, eine Persona der Mitarbeitenden, die liefert/ ausführt und eine Persona für den Mitarbeitenden, der plant und organisiert. Sind es kleine Teams, kann auch eine Persona für jede einzelne Person erarbeitet werden.
Dadurch wächst die gegenseitige Kenntnis, was die je andere tut, aber auch das Verständnis, indem unterschiedliche Perspektiven und Situationen betrachtet werden. Die Fragen 2 und 3 stehen hier im Mittelpunkt. Das Team organisiert die Arbeit um motivierte Individuen herum, ganz entlang dem Manifest für agile Softwareentwicklung. Dann folgt die Frage 1 und es wird im nächsten Schritt geschaut, was das Team von der Führung braucht und ggf. auch, was das Team von der Organisation fordern sollte. Dies können sein Prozessänderungen, direkter Zugang zu bestimmten Informationen, Ressourcen, oder aber auch Änderungen in der Teamzusammensetzung.
Was kann die Führungskraft ganz praktisch tun?
Die Führungskraft hat hier eine aktive Rolle. Sie hält dem Team zunächst mal den Rücken frei und stellt sicher, dass genug Zeit und auch Nerven für diese wichtigen Abstimmungen besteht. Hierfür müssen ggf. Ziele oder Zeitplanungen angepasst werden. Sie kann dem Team den Raum und Rahmen bieten, den Übergang in die Selbstorganisation gut vorzubereiten. Wichtige Führungsaufgabe ist es dafür zu sorgen, dass die richtigen Fragen diskutiert werden. Hier kann die Führungskraft mit Frameworks wie den drei Fragen oben oder auch komplexeren Modellen wie dem T E C Modell (Puckett, 2020) unterstützen.
Dabei ist es manchmal besonders wichtig, das Team daran zu erinnern, dass sich einige Dinge erst beim Tun herausstellen werden und dass Selbstorganisation für alle ein Lernprozess ist. Regelmäßige Reflexion ist dabei ein ganz wesentlicher Bestandteil.
Sicherzustellen, dass diese nicht im Alltagsgeschäft untergeht, ist häufig gerade am Anfang, Führungsaufgabe.
„Gute Führung heißt bedarfsorientierte Führung.“
Schließlich gilt es als Führungskraft dann auch Augen und Ohren offen zu halten. Denn in dem Maße, indem Selbstorganisation entsteht, ändert sich auch, was das Team von der Führungskraft braucht. Ein selbstorganisiertes Team optimiert sich selbst und entwickelt sich. Gute Führung heißt bedarfsorientierte Führung. Hierzu braucht es immer wieder das Innehalten und das Team fragen: Wo steht ihr und wo wollt ihr hin? Was stört oder hindert euch dabei? Wie kann ich helfen und was braucht ihr von mir?
Mehr erfahren?
Hier geht es zu weiteren Blogbeiträgen von Stefanie Puckett und zu ihrem Buch:
Karrierekiller der neuen Arbeitswelt: Bist du gefährdet?
Anhand von konkreten Praxisbeispielen zeigt das Buch, wie man Führungskompetenzen gezielt entwickeln kann und Mitarbeitende und Teams dabei unterstützt, Schlüsselkompetenzen für die Zukunft aufzubauen.