Organisationen spielen eine entscheidende Rolle in unserer Gesellschaft. Ohne ihre Produkte und Dienstleistungen wäre das Zusammenleben nicht möglich. Organisationen prägen nahezu jeden Bereich des gesellschaftlichen Handelns – nicht nur in der Wirtschaft. Das Gesundheitssystem ist auf Krankenhäuser, Pflegeheime und Krankenkassen angewiesen, das Bildungssystem steht und fällt mit Kindergärten, Schulen und Universitäten, und die Politik wäre ohne Parteien und staatliche Organisationen undenkbar. Wir sind täglich mit dem Phänomen der Organisation konfrontiert und verbringen viel Zeit in ihnen.
Im normalen Betrieb erscheint uns das Funktionieren von Organisationen oft selbstverständlich. Eine Beobachtung, die der große Organisationstheoretiker Kurt Lewin bereits machte und in deren Zusammenhang er immer wieder mit dem Hinweis zitiert wird, dass, wer etwas über eine Organisation lernen will, versuchen soll, sie zu verändern.
Auch die Theorien der Organisationswissenschaft sind einer Entwicklung unterworfen. Die in jüngster Zeit zunehmenden Herausforderungen für Organisationen – von der Pandemie über die weltweiten Lieferkettenprobleme, den Krieg in der Ukraine, die Klima- und Energiekrise, bis hin zum Fachkräftemangel etc. – lassen uns die Lewin’sche Annahme phasenweise statischer Organisationen in einem Wechsel von Unfreeze-Move-Refreeze als zunehmend illusionäre Beschreibung erscheinen.
Vielfalt der Organisationsentwicklung
Das Buch „Vordenker der Organisationsentwicklung – Impulse für wirksame Veränderungsarbeit“ stellt die Kernideen von 25 Vordenker:innen der Organisationsforschung vor und gibt einen Überblick über die Vielfalt der Zugänge zu Phänomenen rund um die Organisationsentwicklung. Gleichzeitig wird damit deutlich, dass es eine enorme Breite und Unterschiedlichkeit an theoretischen Blickwinkeln und Verständnissen von Phänomenen in und um Organisationen gibt. Gerade diese Vielfalt bietet Praktiker:innen Unterstützung, um Phänomene, Verhaltensweisen und Merkwürdigkeiten erklären und verstehen zu können.
Die Übersicht (Abbildung 1) macht deutlich, wie breit das Feld wissenschaftlicher Provenienzen ist, welches die Vordenker:innen abdecken.
Lackmustest für Theorie und Praxis: der VW-Dieselskandal
Um zu zeigen, dass mit jeder Theorieperspektive eine spezifische, kontextbezogene Weltsicht einhergeht, ließe sich folgendes Gedankenexperiment starten: Was wäre, wenn organisationstheoretische Vordenker und Vordenkerinnen ihre Perspektive zu einem weithin bekannten Fall der jüngsten Vergangenheit äußern würden, z.B. zum VW-Dieselskandal? Dieser begann 2015 mit dem Bekanntwerden einer illegalen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung von Dieselfahrzeugen zur Manipulation von Abgaswerten und dauert bis heute mit langwierigen Verhandlungen um Schadensersatz an. Was hätte etwa Machiavelli dazu gesagt? Wie würde Erving Goffman das erklären?
Mehr erfahren?
Im Buch „Vordenker der Organisationsentwicklung. Impulse für wirksame Veränderungsarbeit“ , herausgegeben von Thomas Schumacher, Martin J. Eppler, Oliver Haas, Heiko Roehl und Brigitte Winkler, liefert mit kompakten, aussagekräftigen Porträts einen Überblick über die Klassiker der Organisationsentwicklung. Zudem kommen die Vordenker und Vordenkerinnen wie in oben beschriebenem Gedankenexperiment zu Wort.