Das Verständnis von Kapital und Erfolg hat sich verändert. Ein Erfolgsbegriff, der das finanzielle Endkapital dem eingesetzten Anfangskapital gegenüberstellt, springt zu kurz. Wurde die „Infrastruktur“ an von Stakeholdern bereitgestelltem Kapital – natürliche Ressourcen, Humankapital, intellektuelles Eigentum, organisatorische Fähigkeiten, Netzwerke, Werte und Normen – lange als gegeben vorausgesetzt, so hat diese Annahme angesichts erschöpfter Ressourcen und mit Blick auf Folgelasten für künftige Generationen ihre Rechtfertigung verloren. Erfolg als Maß der Werteschaffung ist mehrdimensional zu messen und bezieht neben dem Finanzkapital die positiven oder negativen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf die übrigen Ressourcen und Stakeholder ein. Die nichtfinanzielle Berichterstattung befasst sich mit Definition und Messung solcherart mehrdimensionalen, „nachhaltigen“ Erfolges.
Grundlagen für eine nachhaltige Unternehmensführung
Unter Nachhaltigkeitsaspekten muss die Unternehmensleitung demonstrieren, wie sie Stakeholderinteressen erfasst, implementiert und deren Berücksichtigung sicherstellt, schon um zu vermeiden, dass deren Missachtung auf Reputation und finanzielle Performance zurückschlägt. Der Gefahr, sich bei der Festlegung der Nachhaltigkeitsziele zu verzetteln, wirkt Fokussierung entgegen, im Mittelpunkt sollten wenige, für das Unternehmen relevante Nachhaltigkeitsziele stehen, insbesondere das Klimaziel. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Unternehmensleitung die Nachhaltigkeitsziele verfolgt, rückt auch in das Interesse des Kapitalmarkts.
Bestandteile einer nachhaltigen Unternehmensführung sind folgende Grundelemente:
- das Bekenntnis zu den Nachhaltigkeitszielen in Purpose, Mission und Werten der Organisation. Hierbei wird die Unternehmensleitung die relevanten Stakeholder angemessen einbeziehen. In der sozialen Marktwirtschaft ist den Arbeitnehmern die Mitbestimmung im Aufsichtsrat eingeräumt. Es darf gefragt werden, ob in einer öko-sozialen Marktwirtschaft die Zusammensetzung der Aufsichtsräte zu überdenken ist;
- die Einbindung der Nachhaltigkeitsziele in den Kern der Unternehmensstrategie oder als wesentliche Nebenbedingung für das Erreichen der strategischen Ziele;
- die Festlegung von Verantwortlichkeiten für die Nachhaltigkeitsziele auf Ebene der Unternehmensleitung und deren Verankerung auf den weiteren Führungsebenen. Ein ESG-Ausschuss des Aufsichtsrats, wie ihn eine Reihe von Unternehmen eingerichtet haben, kann hier unterstützen;
- die Festlegung von ESG-Kriterien zur Erfolgssteuerung im Einklang mit nationalen und internationalen Vorgaben, z.B. zur Klimapolitik. Dazu gehören die Quantifizierung von Zielen und deren Nachverfolgung, die Kommunikation des Grads der Zielerreichung und das entsprechende Risikomanagement. Der Verantwortungsbereich umfasst zunehmend die gesamte Wertschöpfungskette;
- die Aufnahme von ESG-Zielen in Vergütungsvereinbarungen mit den Führungskräften und die Offenlegung deren diesbezüglicher Handlungen und Erfolgsbeiträge.
Chancen und Risiken
Erst auf diesen Grundlagen wird eine an ESG-Kriterien ausgerichtete Nachhaltigkeits-Berichterstattung aussagekräftig und bewirkt Fortschritte bei der Erreichung der unternehmerischen Nachhaltigkeitsziele. Allerdings steht zu befürchten, dass die Breite der durch die neuen Berichterstattung-Standards der EU (ESRS) geforderten Informationen die Gefahr der Verzettelung des Reporting in vielen Details in sich trägt, zumal nicht wenige Unternehmen die beschriebenen Voraussetzungen für nachhaltige Unternehmensführung erst noch schaffen müssen.
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Lesen Sie auch den ersten Beitrag von Professor Schwieters: Nachhaltige Unternehmensführung statt Greenwashing.
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