Verbände stehen in der Coronakrise vermehrt auf dem Prüfstand: Mitglieder erwarten noch deutlicher einen Nutzen bzw. eine Wirkung ihrer Verbände im Sinne des Verbandszwecks. Der ohnehin bestehende Trend der zunehmenden Nutzenorientierung der Mitglieder hat sich durch die Coronapandemie verstärkt. Daher ist die „Nähe zum Mitglied“ noch wichtiger geworden und die Bedeutung der Mitgliederorientierung als Maßstab für das Verbandsmanagement ist in den letzten Monaten noch mehr in den Vordergrund gerückt.
Das Erkennen und Reagieren auf die Bedürfnisse und Wünsche der Mitglieder zählt zu den Aufgaben des Verbandsmarketing. Zwischen den beiden Themenbereichen Marketing und Mitgliederorientierung besteht ein enger Zusammenhang. Entsprechend sollte in der Definition des Verbandsmarketing die Forderung der Mitgliederorientierung enthalten sein: Verbandsmarketing konkretisiert sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Verbandsaktivitäten, die durch eine Ausrichtung der Angebote und Leistungen des Verbandes am Mitgliedernutzen im Sinne einer konsequenten Mitgliederorientierung darauf abzielen, verbandspolitische Ziele zu erreichen.
Konsequente Ausrichtung an den Mitgliederbedürfnissen
In den letzten Jahren erfolgte eine Weiterentwicklung des Marketingansatzes: Früher lag das Hauptaugenmerk bei Verbänden vor allem auf der Gewinnung von Mitgliedern. Marketingaktivitäten fanden insbesondere vor Abschluss des Mitgliedsvertrages sowie im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Verbandsleistungen statt. Die verwendeten Marketinginstrumente waren also eher kurzfristiger Natur. Das heutige Marketingverständnis stellt hingegen eine langfristige Bindung der Mitglieder an den Verband in den Vordergrund und bildet somit den nachhaltigen Aspekt der Mitgliederorientierung verstärkt ab. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Paradigmenwechsel“ von einem sogenannten transaktionsorientierten Marketing zu einem beziehungsorientierten Marketing, ohne dass damit eine völlige Neudefinition des Marketinggedankens erfolgt. Dieses Verständnis des beziehungsorientierten Marketingansatzes wird mit dem Begriff des „Member Relationship Marketing“ (MRM) zusammengefasst.
Im Zentrum des MRM steht die konsequente Ausrichtung sämtlicher Verbandsaktivitäten an den Bedürfnissen und Erwartungen der Mitglieder. Konkret bedeutet dies eine Neuausrichtung des Verbandsmarketing, da nicht mehr die Angebote bzw. Leistungen des Verbandes die Blickrichtung bestimmen, sondern die Beziehung zu den Mitgliedern. Es erfolgt somit keine Strukturierung der Verbandsangebote und -leistungen mehr nach den klassischen Marketinginstrumenten, den sogenannten 4P (PRODUCT – Produkt bzw. Leistung, PRICE – Preis, PROMOTION – Kommunikation, PLACE – Vertrieb). Vielmehr werden die Verbandsaktivitäten nach den 3R (RECRUITMENT – Neumitgliederakquisition, RETENTION – Mitgliederbindung, RECOVERY – Mitgliederrückgewinnung) strukturiert, also entsprechend den Phasen eines sogenannten Mitgliederbeziehungszyklus, der diese Phase auf der Zeitachse darstellt. In Abbildung 1 wird der Mitgliederbeziehungszyklus veranschaulicht.
Verbände konzentrieren sich einseitig auf Neumitglieder-Akquise
Bislang konzentrieren sich viele Verbände in ihren Aktivitäten jedoch stark auf die bloße Gewinnung neuer Mitglieder und schenken den beiden übrigen Phasen des Mitgliederbeziehungszyklus bzw. den entsprechenden Instrumenten und Maßnahmen in diesen Phasen wenig bis gar keine Beachtung. Für eine konsequente Mitgliederorientierung und ein umfassendes MRM sind jedoch abgestimmte Maßnahmen in allen drei Phasen des Mitgliederbeziehungszyklus notwendig.
Prüfen Sie daher selbst: Was unternimmt Ihr Verband, um die Mitgliederbeziehung zu stärken und Ihre Mitglieder intensiv an den Verband zu binden? Welche Instrumente und Maßnahmen werden in Ihrem Verband eingesetzt, um abwandernde bzw. abgewanderte Mitglieder wieder zurückzugewinnen?
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Erstmalig auf dem deutschsprachigen Buchmarkt werden die für ein modernes Verbandsmanagement wesentlichen Themen in dem Buch „Verbandsmanagement“ theoretisch fundiert und praxisnah dargestellt. Neben einem Beitrag zur Mitgliederorientierung enthält das Buch u.a. Hilfestellungen zu den Themen digitale Transformation, Finanzierung, Governance und Lobbying.