Analysieren, was man nirgends sehen kann?
Sie ist wie der elektrische Strom: man kann sie nicht sehen aber sehr wohl spüren. Man kann sie nirgends vollständig nachlesen und sie ist dennoch in jedem Unternehmen vorhanden. Kultur hat einen entscheidenden Einfluss auf die Performance einer Organisation und darf daher nicht vernachlässigt werden.
Wozu Kulturanalyse?
Wie alle anderen wichtigen Faktoren muss die Kultur zur Strategie passen. Verändern sich die Rahmenbedingungen und dadurch Strategie und Struktur, muss auch ein Kulturwandel stattfinden. Für zielgerichtete Interventionen zum Kulturwandel braucht man zunächst ein Bild des derzeitigen Ist-Standes. Dies vermittelt eine Kulturanalyse. Im Laufe des Kulturwandels hilft sie, sich in regelmäßigen Zeitabständen ein Bild der Veränderung zu machen.
Welche Modelle sollen verwendet werden?
Kultur ist schwer zu beschreiben. Es gibt mehrere etablierte Modelle zur Unternehmenskultur, die sowohl viele Gemeinsamkeiten als auch teilweise große Unterschiede aufweisen. Abhängig vom verwendeten Modell erhält man ein unterschiedliches Bild der Organisation. Daher sollte ein Modell gewählt werden, das dem gewünschten Zweck am besten gerecht wird. Es kann auch durchaus sinnvoll sein, zwei oder mehrere Modelle gleichzeitig zu verwenden. So kann durch Quervergleiche das Bild präziser erfasst und dargestellt werden.
Wie geht man bei der Analyse vor?
Kultur äußert sich im Verhalten der Mitarbeiter. Eine Kulturanalyse zeigt Muster, wie sich Mitarbeiter verhalten und warum. Die Analyse geschieht durch Beobachten, Analysieren von Abläufen, Festhalten etablierter Glaubenssätze, Ermittlung relevanter Hard und Soft Facts, Interviews etc. Aus den Ergebnissen wird entsprechend der Modelle ein Gesamtbild erzeugt.
Was liest man aus den Ergebnissen?
Möchte man beispielsweise die Veränderungsaffinität einer Kultur analysieren, ist das auf die Transaktionsanalyse basierende Modell von Rolf Balling sehr hilfreich. Es teilt die Kultur in die Bereiche Ordnung, Herausforderungen und Zusammenhalt und vergleicht sie jeweils bildhaft mit Maschine, Spielplatz und Familie. Anhand der Ausprägung der drei Elemente lässt sich u. A. einschätzen, welche Rolle Veränderungsaffinität in der Unternehmenskultur spielt.
Festgestellt wird die jeweilige Ausprägung beispielsweise durch einen Mix aus Beobachtung, Interviews und Fragebögen zur Selbsteinschätzung.
Beispiel a):
Ordnung 80%, Herausforderung 15%, Zusammenhalt 70% (Ergebnis der Analyse)
Ein Traditionsunternehmen der Investitionsgüterindustrie mit stabilen, seit langem etablierten Prozessen, das sich mit Veränderungen nicht allzu leicht tut und dies nur im wirklichen Bedarfsfall zulässt. -> Geringe Veränderungsaffinität, Fokus auf Stabilität und Zielerfüllung
Beispiel b):
Ordnung 40%, Herausforderung 85%, Zusammenhalt 50%
Ein 20-jähriges Unternehmen der Konsumgüterindustrie, das zwar ein stabiles, aber veränderliches Portfolio hat, dies aber regelmäßig an die geänderten Kundenwünsche anpassen muss. -> Hohe Veränderungsaffinität, Flexibilität in den Prozessen, Routine nur Hilfsmittel.
Die in den Beispielen jeweilige Ausprägung der Veränderungsfähigkeit (gering/hoch) sagt noch nichts darüber aus, ob dies zur Strategie passt oder nicht. In beiden Fällen kann es sehr passend sein. Bei einem spürbaren Strategiewandel müssten dann entsprechende Wandelimpulse gesetzt werden.
Wie genau sind die Ergebnisse?
Kultur kann nicht so exakt und eindeutig dargestellt werden wie ein Organigramm. Organisationen und Menschen sind so vielschichtig, dass man das Verhalten der Menschen nur teilweise systematisiert darstellen kann. Daher gibt eine Kulturanalyse ein grobes Bild mit begrenzter Genauigkeit. Sie ist wie jedes Audit auch durch die Subjektivität der Analysierenden gefärbt und gibt dadurch einen gewissen Interpretationsspielraum. Dennoch liefert eine Kulturanalyse sehr hilfreiche und nachvollziehbare Erkenntnisse.
Wie detailliert muss man vorgehen?
Jedes Unternehmen hat eine Gesamtkultur und je nach Größe und Organisation auch Subkulturen. Dementsprechend hängt es von der Zielsetzung ab, wie weit man ins Detail geht. Steht beispielsweise nur die Verbesserung der Innovationsfähigkeit im Fokus, kann es ausreichend sein, die Kulturen einzelner Bereiche zu betrachten. Soll das gesamte Unternehmen eine stärkere Veränderungsaffinität erfahren, kann es notwendig sein, die Gesamtkultur sowie die Subkulturen der Bereiche oder Standorte zu analysieren.
Mehr erfahren?
In seinem Buch Changeprozesse positiv gestalten beschreibt Günther Schöffner, wie entscheidend die Haltung der Menschen für die Unternehmenskultur ist und dass Kultur nicht durch definierte Maßnahmen auf ein exaktes Ziel hin technokratisch verändert werden kann. Er zeigt, wie Haltung durch Verhalten beeinflusst werden kann und wie bei Veränderungsprozessen Widerständen überwunden und so Veränderungen erreicht werden können.