Die Hälfte aller Projekte zur digitalen Transformation scheitern – und das liegt nicht an defekter Technik oder fehlendem IT-Know-How. „Digital Transformation Is About Talent, Not Technology“ schreiben Becky Frankiewicz und Tomas Chamorro-Premuzic im Harvard Business Review im Mai 2020[1]. Und sie haben recht. Digitale Transformation hat zwar Technik als Ausgangspunkt, die Herausforderungen liegen allerdings woanders: in Führungskräften, die das Zeug haben, die Transformation als herausfordernde Veränderung anzugehen – für die Organisation und vor allem für sich. Ohne Future Skills lässt sich die digitale Transformation nicht führen.
Ungewissheit aushalten – offen vorgehen
Eine Führung, bei der alle Fäden zusammenlaufen, die verbindliche Ansagen macht und (fast) alles weiß – dazu noch Ziele verbindlich vorgibt, Aufgaben klar delegiert und das alles umfassend kontrolliert. Mit diesen Kompetenzen können Sie sehr gut stabile, überschaubare und terminierte Projekte führen. Mehr jedoch nicht. Die digitale Transformation ist allerdings weder stabil noch überschaubar und schon gar nicht terminiert. Sie ist keine Verbesserung von Bekanntem, sondern ein Ritt ins Unbekannte. Bei diesem Ritt müssen andere Kompetenzen her, die eine gemeinsame Grundhaltung haben: Sie befähigen dazu, etwas zu wagen, Neuland zu betreten und viele Führungsaktivitäten im Ungefähren zu belassen. Das Aushalten von Ungewissheit wird immer mehr zu einem der wichtigsten ‚Mindsets‘ von Führung. Zumal von dieser Führung verlangt wird, Orientierung zu geben, ohne Garantien zu versprechen – und Beweglichkeit bei gleichzeitiger Verlässlichkeit zu zeigen.
Die sieben Future Skills
Um diese Spannungen von Führung meistern zu können, sollte eine Führungskraft die folgenden sieben Kompetenzen haben – oder sich aneignen:
- ‚Perspektiven erweitern‘ erlaubt Führung, unklare Situationen zuzulassen und zu ermöglichen.
- Durch ‚Innovation vorantreiben‘ geht Führung bewusst ins Ausprobieren – mit dem unbekannten Ausgang dieses Neuen.
- ‚Netzwerke pflegen‘ gibt Führung die Gelegenheit, soziale Kontakte auszubauen, ohne dass damit unmittelbar verwertbarer Nutzen verknüpft ist.
- ‚Orientierung vermitteln‘ trägt dem Umstand Rechnung, dass Führung gerade in uneindeutigen Situationen eine positive Vorstellung der gemeinsamen Aktivitäten vermitteln soll.
- ‚Eigenständigkeit fördern‘ befähigt Führung dafür zu sorgen, dass andere ihre Aufgaben souverän und kompetent erledigen können.
- ‚Mitarbeiter stützen‘ meint die Führungskompetenz, Mitarbeiter in unsicheren Situationen zu stärken und zum Umgang mit Überraschungen zu befähigen.
- ‚Digitale Werkzeuge nutzen‘ – in der eigenen Arbeit und in der mit anderen – zeigt eine Führung, die digital auf der Höhe der Zeit ist und zugleich Datenrisiken im Blick hat.
Die digitale Transformation meistern
Die Herausforderungen der digitalen Transformation sind vielschichtig, es gibt unzählige Wechselwirkungen zwischen Technik, Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Das führt immer wieder zu Überraschungen – willkommenen wie unangenehmen. Diese Komplexität zu meistern heißt, als Führungskraft die Herausforderungen, Wechselwirkungen und Überraschungen nicht zu simplifizieren und nur einzelne Stellhebel zu bedienen. Vielmehr kommt es darauf an, im Unternehmen die Schnittstellen zwischen Mensch–Technik–Organisation umfassend und offen zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln. Mit den oben genannten sieben Future Skills ist Führung auf diese Aufgaben der digitalen Transformation bestens vorbereitet.
Das Glück lacht denen, die vorbereitet sind.
Louis Pasteur
[1] Frankiewicz, B., Chamorro-Premuzic, T. (2020): Digital Transformation Is About Talent, Not Technology. In: HBR.