Führung in Organisationen ist der Versuch, in die Selbstregelung sozialer Systeme zu intervenieren. Dieses Dazwischentreten (lat. intervenire) erfolgt mit unvollständigem Wissen. Die Idee, immer „den Durchblick zu haben“ oder zu wissen, „wo es lang geht“, ist eine Anmaßung. Projektarbeit bedeutet ein Beschreiten von Neuland. Dazu braucht es Fähigkeiten, die über das rein fachliche Können weit hinausgehen. Verschärfend kommt hinzu, dass Projekte in der Regel mit begrenzten Ressourcen ausgestattet sind. Durch diese Kombination schwebt über einem Projekt meist die Gefahr des Scheiterns.
Arbeiten im „kritischen Dreieck“
Zu bedenken gilt es auch: Führungs- und Projektarbeit bewegt sich im Dreieck zwischen Mensch, Wirtschaft und Technik (Abbildung 1). Wir nennen dieses Dreieck „kritisch“, weil der Erfolg von Führungs- und Projektarbeit von einer heiklen Balance abhängt.
- Zuviel „Mensch“ wird unter Umständen mit einem Verlust an Wirtschaftlichkeit und technischem Nutzen bezahlt werden müssen.
- Eine einseitige Ausrichtung auf „Wirtschaft“ kann wiederum dazu führen, dass nicht die technisch unterstützten Human-Ressourcen, sondern die Personalkosten im Vordergrund stehen.
- Und eine Überbetonung der „Technik“ macht sie unter Umständen zum wirtschaftsvergessenen Selbstzweck („l’art pour l’art“) und entfremdet die Führungs- und Projektarbeit vom Menschen.
Sechs elementare Tätigkeiten der Führungs- und Projektarbeit
Führungs- und Projektarbeit ist noch aus einem weiteren Grund so herausfordernd: Sie braucht viel Energie in verschiedenster Form. Wir möchten dies anhand von drei Begriffspaaren deutlich machen.
Wahrnehmen und Erkennen
Wer Menschen führen oder ein Projekt voranbringen will, braucht einen wachen Geist und wache Sinne. Es genügt nicht, die Wahrnehmung dessen, was gerade rundherum geschieht, einfach dem energiesparenden inneren „Autopiloten“ zu überlassen. „Erkennen“ lehnt sich an das „Können“ an. Es bezeichnet somit eine Erfahrung oder ein Wissen, das man (a) über die Welt oder sich selbst neu gewinnt oder bereits gewonnen hat und das (b) über das rein Persönliche hinaus wichtig erscheint.
Abwägen und Entscheiden
Wenn Zeitdruck und Unbestimmtheit die Führungs- und Projektarbeit bestimmen, unterbleibt oft ein sorgfältiges Abwägen. Hier vermag die Intuition helfend einzuspringen. Sie speist sich aus dem Erfahrungsschatz, der im Vorbewussten aktiviert werden kann. Egal wie überlegt eine Entscheidung letztlich erfolgt, sie wird nie rein rational sein können. Dagegen sträubt sich das Gehirn, indem es Fühlen und Denken miteinander verschränkt. Es gibt keinen Schalter, mit dem man nach Belieben zwischen Verstand und Gefühl wechseln kann.
Überzeugen und Vorangehen
Eine Person von etwas zu überzeugen verlangt, dass diese ihre bislang gehegten Anschauungen ändert oder über Bord wirft. Dies erfordert ein hohes Maß an Selbstkenntnis, aus der sich die notwendige Menschenkenntnis entwickeln kann. Die Fähigkeit des Überzeugens ist eine Voraussetzung, um in der Führungs- und Projektarbeit voranzugehen. Und wer das will, muss präsent sein und Aufmerksamkeit auf sich, seine Anliegen oder Ideen lenken.
Die Konsequenz: Schlüsselkompetenzen für Führungs- und Projektarbeit
Nachdem wir im ersten Blog den Begriff „Kompetenz“ geschärft und jetzt die Anforderungen an die Führungs- und Projektarbeit umrissen haben, werden wir in den nächsten Blogs die dazugehörigen Schlüsselkompetenzen vorstellen (Abbildung 2). Diese stellen den Wert der fachspezifischen Kompetenz – ein Schatz unseres Kulturraums – keineswegs in Frage, sondern ergänzen, unterstützen und veredeln sie.
Mehr erfahren?
Das Buch „Schlüsselkompetenzen in Führungs- und Projektarbeit“ wirft einen kritischen Blick auf herkömmliche Kompetenzmodelle und stellt das neue Umfeld für Führungs- und Projektarbeit vor. Es entwickelt daraus fünf zentrale Schlüsselkompetenzen und verknüpft diese mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen.