Vor wenigen Jahren schien Krisenmanagement ein Arbeitsfeld für wenige Spezialisten – und für die bedauerlichen Führungskräfte der bedauernswerten Unternehmen, die es leider nicht geschafft hatten, so erfolgreich zu sein wie die überwältigende Mehrheit ihrer Marktbegleiter:innen. Heute wird Führung in Krisensituationen zur Basiskompetenz für sehr viele Führungskräfte und Mitarbeiter:innen in sehr vielen Unternehmen, weil tiefgreifende und weitreichende Krisen sich zu einem Kennzeichen unserer Zeit zu entwickeln scheinen.
Die allermeisten von uns ängstigt diese Entwicklung, weil wir das Gefühl haben, dass es bei Krisen um unsere Existenz geht. Und Existenzängste sind wirklich das Unangenehmste, womit man sich beschäftigen mag. Das ist insofern äußerst bedauerlich, weil jeder Mensch, der sich damit beschäftigen würde, sehr schnell Folgendes feststellen könnte:
- Krisen gefährden immer die Existenz, aber sie vernichten sie nur äußerst selten. Denn die allermeisten Krisen werden von den Betroffenen erfolgreich bewältigt.
- (Fast) alle Menschen und besonders Führungskräfte und erst recht Organisationen verfügen über einen reichen Schatz an Krisenerfahrung, um auch die nächste Krise erfolgreich bewältigen zu können.
- Krisenmanagement ist auch insofern eine „normale“ Disziplin, als man auch dieses durch Übung erlernen kann.
- Beim Lernen für das Krisenmanagement ist es erfolgsentscheidend, die eigenen Krisenerlebnisse in Krisenerfahrungen zu transformieren. Zu diesem Zweck gilt es, sich gedanklich und gefühlsmäßig noch einmal in die Situation hineinzubegeben, in der die Erlebnisse entstanden sind.
- Die Scheu vor dieser Rückbesinnung auf die kritischen Situationen, die wir alle bereits erlebt haben, ist vermutlich ein wesentlicher Grund dafür, weshalb viele Menschen sich ihrer Krisenkompetenz so wenig bewusst sind und deshalb „unnötig“ viel Angst vor der Krise entwickeln.
Krisenmanagement durch Erfahrungsbildung
Die zweitbeste Art, Erlebnisse in Erfahrungen zu transformieren, ist die, an den Erlebnissen anderer zu partizipieren. Durch die Beantwortung der Frage „Was hätte ich denn in der Situation gemacht?“ kann man auf diese Weise eigene Erlebnisse simulieren. Im Leistungssport ist das heute gängige Praxis und nennt sich „mentales Training“, wenn Skispringer:innen in Gedanken – und mit dem Körper – in der Trainingshalle die Bewegung vollführen, die sie später im Wettkampf auf der Schanze ausführen werden. Im Management gibt es diese Praxis bisher seltener – vermutlich auch aus Mangel an Gelegenheit.
Eine einmalige Gelegenheit verschaffen wir nun allen, die ihre Kompetenzen für Krisenmanagement durch Erfahrungsbildung weiterentwickeln mögen. Denn wir veröffentlichen in unserem neuen Buch „Führung in Krisensituationen“ ausführliche Auszüge aus Interviews, in denen wir Top-Führungskräfte der deutschen Wirtschaft nach ihren Erlebnissen und Erfahrungen im ersten Jahr der Pandemiekrise befragt haben.
So interessant die Antworten als „good practice“ im Krisenmanagement zu lesen sind, so wird es für die Leser:innen doppelt spannend, wenn sie sich selbst die Frage nach der eigenen Reaktion in der geschilderten Krisensituation ganz ehrlich beantworten – und die Konsequenzen ihrer Antworten einmal durchdenken und „durchfühlen“. Denn dann sind sie im Prozess der Reflexion und betreiben dadurch ihren eigenen Prozess der Transformation von Erlebnissen in Erfahrungen, der ihnen hilft, ihre nächste Krise erfolgreich zu bewältigen.
Mehr erfahren?
Das Buch „Führung in Krisensituationen“ beleuchtet die Rolle des Topmanagements beim Führen durch die Krise. Nach der Lektüre dieses praxisorientierten und anschaulich aufbereiteten Buches wird klar, warum einige Unternehmen besser durch die Corona-Krise gekommen sind als andere.