In Hemingway’s Roman Fiesta wird einer der Protagonisten gefragt, wie das denn passiert sei mit seinem Bankrott. Und die Antwort bringt es auf den Punkt: er sei zweimal pleite gegangen, erst ganz allmählich und dann ganz plötzlich. Diese Antwort bezeichnet einen der 3 kritischen Kipppunkte, die über den Erfolg des Krisenmanagements entscheiden, nämlich die Antwort auf die Frage „Sind wir in der Krise?“.
1. Die Krise erkennen
Das heimtückische an den meisten Krisen ist ja, dass sie sich unbemerkt anschleichen und sich ganz eindeutig erst aus der Rückschau zu erkennen geben. Auch aus dem Chor der Kassandren, die beständig vor allen möglichen Krisen warnen, gibt sich die eine wahre Warnerin erst im Nachhinein als solche zu erkennen.
Und das gilt sogar für Katastrophen wie die Flut im Ahrtal, bei der die Verantwortlichen im Krisenmanagement lange geglaubt haben, es handle sich um den „normalen Notfall“ eines Hochwassers und erst viel zu spät erkannt haben, dass hier eine existenzielle Gefahr für ein ganzes Tal unterwegs war. Selbstverständlich hat auch keine der Warnungen, die schon Stunden und Tage vorher eingegangen waren, die Konsequenzen vorhergesagt, die dann eingetreten sind.
Deshalb agiert ein gut organisiertes Krisenmanagement hier auch mit steigenden Stati der Bereitschaft, um im Falle des Falles die Kapazitäten von Menschen und Material sofort einsetzen zu können. Gut organisierte Unternehmen haben in der Pandemie 2020 ihre Krisenstäbe bereits im Januar aktiviert als die ersten Entwicklungen in China gemeldet wurden. Die zweitbesten haben im März agiert, die drittbesten haben ihre Krisenpläne im Laufe des Jahres angepasst und viele andere haben immer noch keine.
2. Bedachtes Abwägen in der Krise
Der zweite Kipppunkt betrifft die zuständigen Akteure. Von Nobelpreisträger Daniel Kahnemann (Schnelles Denken, langsames Denken) wissen wir, dass wir Menschen für die Steuerung unseres Handelns über zwei separate Systeme verfügen: System 1 ist für das schnelle Handeln zuständig und steuert über spontane Impulse, die nicht bedacht, sondern gemacht werden, während System 2 für die bedachte Steuerung zum Einsatz kommt. Aus der Entwicklungsgeschichte des Menschen ist klar, dass System 1 sich in der Krise für zuständig erklärt und die Kontrolle übernimmt. Denn das war früher sehr sinnvoll so, als Krisen darin bestanden, dass der Säbelzahntiger um die Ecke kam oder der Nachbar mit der Keule vor der Tür stand.
Für die heutigen Krisen ist das weniger sinnvoll, denn sie sind mit den spontanen Impulsen von Kampf, Flucht, Totstellen oder Unterwerfung nicht zu lösen, sondern benötigen das bedachte Abwägen zwischen zu entwickelnden Optionen. Dieses bedachte Abwägen, das die Domäne von System 2 ist, wird aber verhindert, wenn System 1 sich selbst für zuständig erklärt. Und deshalb gehört es zu den wichtigen Aufgaben eines modernen Krisenmanagements, dafür zu sorgen, dass System 2 die Oberhand erhält.
Dies gilt nicht nur auf der Ebene des Individuums, sondern auch auf der Ebene von Teams und ganzen Organisationen. Denn auch dort besteht in der Krise die Gefahr, dass die lauten Macher sich selbst für zuständig erklären und die Kontrolle über das System übernehmen. Hier ist Führung verlangt in der akuten Situation und in der Auslegung das System für den Krisenfall.
3. Kommunikation in der Krise
Der dritte Kipppunkt im Krisenmanagement knüpft direkt am zweiten an und betrifft die Kommunikation im Krisenfall. Denn die lauten Macher sind oft auch die Vertreter des Kommandotons in der Kommunikation und die ist erfahrungsgemäß nur in sehr spezifischen Facetten der Krisenkommunikation sinnvoll anzuwenden. In wesentlichen Teilen der Krisenkommunikation geht es dagegen darum, genau zuzuhören, Verständnis und Mitgefühl zu zeigen und auch die eigenen Begrenzungen zu erkennen und zu kommunizieren.
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