Unternehmen setzen sich zunehmend „Net Zero“-Ziele, verstehen ihre Unternehmensführung als Ausdruck nachhaltiger Geschäftsstrategie. Welche Anforderungen sind damit verbunden, will man den Vorwurf der „ökologischen Schönfärberei“, des Greenwashing, vermeiden?
Corporate Governance und Nachhaltigkeit
Die Ausgestaltung unternehmerischer Verantwortung durch Regeln der Unternehmensführung betrifft Ausrichtung und Umsetzung der Strategie, die Kontrolle des Wertschöpfungsprozesses und die Rechenschaft über das unternehmerische Handeln. Corporate Governance wird häufig im Zusammenhang mit Unternehmensskandalen diskutiert, wie z.B. im Gefolge der Wirecard-Pleite. Nachhaltigkeits-Aspekte spielten in Regeln der Corporate Governance lange Zeit eine untergeordnete Rolle; so greift der Deutsche Corporate Governance Kodex erst seit 2022 die Befassung von Vorstand und Aufsichtsrat mit Nachhaltigkeitsfragen in Strategie, Planung und Risikomanagement explizit auf.
Wenn so das „soft law“ hinter den Erfordernissen der gesellschaftlichen Transformation vor dem Hintergrund säkularer Herausforderungen wie dem Klimawandel zurückbleibt, springt der Gesetzgeber gerne in die Bresche. Hier hat vor allem die EU im Zuge des Green Deal eine Reihe von Gesetzesinitiativen initiiert und z.T. bereits umgesetzt, die Unternehmen zu Änderungen von Strategie, Risikomanagement und Reporting aufrufen und dem Greenwashing entgegenwirken: Vom „Anschupsen“ (Nudging) zu nachhaltigem Verhalten durch den (Finanz-)Markt im Wege von Sustainable Finance auf der Grundlage der EU-Taxonomie, über harte Compliance-Regelungen zu unternehmerischer Sorgfalt entlang der Wertschöpfungskette im Zuge der geplanten Richtlinie zu Corporate Sustainability Due Diligence, bis hin zur bereits verabschiedeten Neuregelung der Nachhaltigkeits-Berichterstattung. Die Corporate Sustainability Reporting Directive verpflichtet ab 2024 bis zu 50.000 Unternehmen in der EU zu umfangreichen Offenlegungen darüber, wie widerstandsfähig ihre Geschäftspolitik, ihr Geschäftsergebnis und ihre wirtschaftliche Lage gegenüber Einflüssen aus ökologischen, sozialen und anderen Nachhaltigkeitsaspekten ist, und dazu, wie das Unternehmen den Auswirkungen seiner Geschäftspolitik auf Dritte Rechnung trägt, insbesondere auch wie vereinbar die Geschäftspolitik mit dem Übergang zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C bis 2050 ist.
Corporate Governance und unternehmerische Verantwortung
Die Frage nach der Bedeutung von unternehmerischer Verantwortung ist von grundsätzlicher Natur: Unternehmen stehen in einer freiheitlichen, auf Wettbewerb basierenden Ordnung bei der Bewältigung der anstehenden Probleme nicht an der Seitenlinie, sondern haben eine Hauptrolle. Dazu müssen ihre „Lösungsbeiträge“, ihr Erfolg, die Interessen ihrer relevanten Stakeholder bedienen. Die soziale Marktwirtschaft mit ihrem Bemühen um die angemessene Berücksichtigung der Arbeitnehmer-Interessen kann hier als Vorbild dienen. Nur durch eine nachhaltige Unternehmensführung in diesem Sinne werden Unternehmen glaubhaft ihre „License to operate“ nachweisen, zugleich als soziale Akteure aber auch Vorbildfunktion übernehmen. Regeln der Corporate Governance sind der Reflex dieser unternehmerischen Verantwortung. Es ist Aufgabe der Wirtschaft, wenn sie ihre Selbstverwaltung wahrnimmt, sonst Aufgabe der Politik, die Regeln zu setzen, dass Unternehmen ihrer unter dem Einfluss der Krisen erweiterten gesellschaftlichen Verantwortung im Sinne einer „verantwortlichen“ Marktwirtschaft gerecht werden.
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Das Buch behandelt das Thema Corporate Governance mit seinen unterschiedlichen Aspekten und mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Unternehmenspraktiker:innen wird damit ein umfassender Leitfaden zur Verfügung gestellt, der einen praxisorientierten Überblick über dieses aktuelle Themengebiet ermöglicht.