Der unterschätzte Erfolgsfaktor der digitalen Transformation.
„Die größte Herausforderung der digitalen Transformation liegt nicht in der Technologie, sondern im strategischen Aufbau neuer Kompetenzen.„
Diese Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch meine Forschungen zur digitalen Transformation. In unserem neuen Buch „Digitale Wettbewerbsvorteile in der Praxis“ haben wir drei Entwicklungsphasen der digitalen Transformation identifiziert. Während die erste Phase – das „Digitally Enhanced Business“ – sich auf die Optimierung bestehender Prozesse konzentriert, erfordert die zweite Phase – das „Digitally Expanded Business“ – einen fundamentalen Neuaufbau strategischer Ressourcen.
Letzte Woche durfte ich über die Digitalisierungsstrategie von Klöckner & Co sprechen. Was ich dabei lernte, bestätigte die Kernthesen unseres neuen Buches eindrucksvoll: Wir zeigen, warum der systematische Ressourcenaufbau der Schlüssel zum Erfolg ist.
5 zentrale Lektionen, die jede Führungskraft bei der Umsetzung von Digitally Expanded Business kennen sollte
THESE 1: Digital Excellence braucht Separation
Ein Paradebeispiel für diese These liefert der Stahlhändler Klöckner & Co. Was das Unternehmen von vielen anderen unterscheidet: Es verstand früh, dass digitale Transformation weit mehr erfordert als nur technologische Investments. Der systematische Aufbau neuer Kompetenzen wurde zur Chefsache erklärt. Inspiriert von seiner Zeit im Silicon Valley, initiierte CEO Gisbert Rühl 2014 die Gründung von kloeckner.i in Berlin. Beginnend mit nur zwei Mitarbeitern in einem Coworking-Space „betahaus“, entwickelte sich die Einheit zu einem Team von heute 114 Digitalexperten. Ähnlich ging auch die Deutsche Bahn mit ihrer Einheit DB Systel vor, die als eigenständiges IT-Unternehmen innerhalb des Konzerns agiert und digitale Innovationen vorantreibt. Diese Trennung ermöglicht es den digitalen Einheiten, agiler und fokussierter zu arbeiten und unabhängig von den oftmals starren Strukturen des traditionellen Geschäfts neue Lösungen zu entwickeln.
THESE 2: Digitale Transformation ist Kompetenz-Transformation
Die vielleicht wichtigste Lektion aus strategischer Entwicklungssicht: Erfolgreicher Kompetenz- und Ressourcenaufbau bedeutet nicht, alles neu zu erfinden. Die von Klöckner entwickelte Handelsplattform XOM Materials zeigt exemplarisch, wie die Verbindung von Branchenexpertise und digitaler Innovation einzigartige Wettbewerbsvorteile schaffen kann. Heute entwickeln die Teams Onlineshops, Marktplätze, Kontraktportale und ERP-Lösungen, die die gesamte Stahl- und Metallindustrie digitalisieren. Ein weiteres Beispiel ist Zalando, das durch den Aufbau von Kompetenzen im Bereich Data Science und Machine Learning personalisierte Einkaufserlebnisse schafft und die Logistik optimiert. Der Aufbau digitaler Kompetenzen erfordert eine gezielte Strategie, die sowohl die Weiterbildung bestehender Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als auch die Rekrutierung neuer Talente umfasst.
THESE 3: Balance statt Big Bang
Es ist aber ebenso wichtig, in dieser Phase die richtige Balance zwischen der Weiterentwicklung des bestehenden Geschäfts und dem Aufbau neuer digitaler Geschäftsmodelle zu finden. Unternehmen wie Siemens zeigen, wie durch die digitale Transformation bestehende Produkte und Dienstleistungen optimiert und gleichzeitig neue digitale Angebote geschaffen werden können. Die Integration digitaler Innovationen in etablierte Geschäftsprozesse erfordert dabei ein tiefes Verständnis beider Welten und die Fähigkeit, diese systematisch zu verbinden. Erfolgreiche Unternehmen schaffen es, traditionelle Stärken mit digitalen Innovationen zu kombinieren, indem sie beispielsweise digitale Plattformen nutzen, um bestehende Produkte und Dienstleistungen zu erweitern und neue Kundensegmente zu erschließen.
THESE 4: Kultur schlägt Kodex
Klöckner zeigt auch, wie zentral die Kultur für die digitale Transformation ist. Der bewusste Start in einem Berliner Coworking-Space war dabei mehr als eine räumliche Entscheidung – er war eine kulturelle Ansage. Hier konnte sich eine Arbeitsweise entwickeln, die Experimentierfreude nicht nur zulässt, sondern aktiv fördert. Die heute 114 Digitalexperten leben eine Start-up-Mentalität, die sich deutlich von der traditionellen Stahlhandelskultur unterscheidet. Doch statt diese Unterschiede zu bekämpfen, nutzt Klöckner sie gezielt als Treiber der Transformation. Die Digital Academy spielt dabei eine Schlüsselrolle: Sie schafft einen geschützten Raum, in dem Fehler nicht als Makel, sondern als notwendiger Teil des Lernprozesses verstanden werden. Mit über 19.000 Kursen hat sich hier eine Kultur des kontinuierlichen Lernens etabliert. Eine innovationsfördernde Kultur zeichnet sich durch Offenheit, Vertrauen und die Bereitschaft zum Experimentieren aus.
THESE 5: Ressourcenaufbau ist Chefsache
Es geht nicht um einzelne digitale Projekte, sondern um den systematischen Aufbau neuer strategischer Ressourcen. Klöckner demonstriert dies eindrucksvoll durch die Integration seiner Digitalisierungsinitiativen: Von der Entwicklung der Handelsplattform über die Digital Academy bis hin zur vollständigen Prozessintegration mit hohem Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad. Alle diese Elemente folgen einer übergeordneten Strategie, die auf die Transformation der gesamten Wertschöpfungskette abzielt. Mit über 19.300 absolvierten Kursen in der Kloeckner Academy und 114 Digitalexperten hat das Unternehmen systematisch die Ressourcen aufgebaut, die es für die nächste Phase der digitalen Transformation benötigt. Der Ressourcenaufbau muss als strategische Kernaufgabe verstanden werden, die die volle Unterstützung des Top-Managements erfordert.
Der entscheidende Punkt
Der Erfolg der digitalen Transformation wird nicht durch die Wahl der Technologien bestimmt, sondern durch die Fähigkeit, systematisch neue strategische Ressourcen aufzubauen und zu orchestrieren.
Die zweite strategische Möglichkeit, Unternehmen digital zu transformieren – die wir in unserem Buch als „Digitally Expanded Business“ bezeichnen – stellt Unternehmen also vor fundamentale Herausforderungen: Sie erfordert nicht nur technologische Expertise, sondern vor allem den Mut, systematisch zu experimentieren und Innovationen zu skalieren. Eine agile Transformationskultur wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor.
Unsere Forschung zeigt drei bei dieser Strategiewahl kritische Investitionsfelder:
- Systematische Entwicklung digitaler Kompetenzen im Bestand
- Strategische Integration digitaler Schlüsseltalente
- Aktiver Aufbau einer innovations- und lernfördernden Kultur
Strategische Prognose 2025
Die Gewinner der digitalen Transformation werden jene Unternehmen sein, die heute konsequent in den Aufbau ihrer digitalen Ressourcenbasis investieren. Nicht die Technologiewahl, sondern die Geschwindigkeit des Kompetenzaufbaus wird über die Zukunftsfähigkeit entscheiden.
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Das Buch „Digitale Wettbewerbsvorteile in der Praxis“ ist ein praktischer Leitfaden mit Schritt-für-Schritt-Planungsprogramm für Entscheider:innen, digitale Strategien für jede Unternehmensgröße umzusetzen. Es enthält zahlreiche Fallbeispiele zur Veranschaulichung und hilfreiche Checklisten.
Ein unverzichtbares Werk für alle, die die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens im digitalen Zeitalter stärken wollen.