Im Wachstum eines Unternehmens mag früher oder später der Eindruck entstehen, von rechtlichen Themen überfordert zu sein. Wann dieser Zeitpunkt eintritt hängt von allerlei Faktoren ab, der Risikofreudigkeit des Managements, der Komplexität des Geschäftsmodells, den regulatorischen Entwicklungen und nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit externen Anwälten. Das Gefühl der Überforderung kann aus bloßer Zeitnot entstehen oder aber ein Bewusstsein für rechtliche Risiken zum Ausdruck bringen. In beiden Fällen wird hierin der Bedarf gesehen werden, unternehmensinterne Juristinnen und Juristen anzustellen und eine Rechtsabteilung zu gründen.
Der Bedarf für eine Rechtsabteilung entsteht früher als empfunden
Der tatsächliche Nutzen interner Rechtsberatungsressourcen entsteht allerdings früher als der empfundene Bedarf. Nützlich ist eine Rechtsabteilung nicht nur dadurch, dass Führungskräfte Verantwortung an auf diese Themen spezialisierte Teammitglieder abgeben und ihre Kapazitäten im eigenen Kompetenzkreis besser einsetzen können. Der Nutzen der Rechtsabteilung geht über die Frage der Arbeitseffizienz hinaus. Eine frühzeitige Einbindung beugt rechtlichen Risiken vor und zeigt Möglichkeiten für Unternehmensentscheidungen auf. Ein gutes Team vereint unterschiedliche Kompetenzen und Sichtweisen. Auch eine juristische Sichtweise bereichert Entscheidungsprozesse und Arbeitsabläufe. Mit zunehmender Größe und Komplexität lässt sich der Blickwinkel allein von außen nicht mehr optimal integrieren. Die Frage nach dem „wann“ einer Rechtsabteilung sollte also nicht erst mit dem Eindruck der Überforderung beantwortet werden, sondern mit dem Kriterium der fehlenden Expertise im Team. Ein „so spät wie möglich“ ermittelter Zeitpunkt wird leicht verpasst, ein „so früh wie sinnvoll“ gewählter Moment ermöglicht eine ausgewogenere Unternehmensstrategie.
Die ersten Schritte bei der Gründung der Rechtsabteilung
Ist der Bedarf festgestellt und das „wann“ beantwortet, geht es nun um das „wie“. Entscheidend ist hier eine klare Beschreibung der Ziele und Aufgaben auf Grundlage einer Bedarfsanalyse. Schwerpunkt der Zielsetzung kann in der Risikovorbeugung liegen, die das regulatorische Umfeld oder die bereits bestehenden Geschäftspraktiken in den Blick nimmt. Ein anderer Schwerpunkt könnte die bestmögliche Unterstützung von Geschäftsabläufen sein, etwa durch Gestaltung von Vertragsprozessen. Idealerweise handelt es sich um eine Kombination aus beidem. Im nächsten Schritt geht es darum, die Zielerreichung durch konkrete Aufgaben auszugestalten und so die Rechtsberatung in die Unternehmensprozesse zu integrieren. Zwischen der Rechts- und der Vertriebsabteilung muss beispielsweise ein klares Verständnis bestehen, ob Unternehmensjuristen bei einzelnen Vertragsabschlüssen operativ eingebunden sind oder ob es sich eher um eine strategische Mitwirkung handeln soll.
Grundlegend ist zudem, wie das Zusammenwirken mit externen Anwälten ausgestaltet wird. Manche Aufgaben können aus einer Innenansicht heraus besser gelöst werden, andere erfordern eine spezifische Expertise von außen. Die Rechtsabteilung ist dabei stets die erste Anlaufstelle und übernimmt eine wichtige einordnende Aufgabe. Zu klären ist hier, ob die Rechtsabteilung eigene Budgetverantwortung erhält.
Klar ist bei allen Überlegungen im Vorfeld aber auch, dass eine reibungslose Integration der Rechtsabteilung ein Prozess der Verbesserung und Nachjustierung ist. Jeder Gründungsprozess lebt vom Versuchen. Die Rechtsabteilung muss nach und nach in die Arbeitsabläufe integriert werden und gerade zu Beginn eine hohe Anpassungsfähigkeit haben.
Die besten Kandidatinnen und Kandidaten
Bleibt noch das „wer“: Welche Kandidatinnen und Kandidaten den Gründungsstein bestmöglich legen, ergibt sich nicht nur aus der fachlichen Erfahrung und dem rechtlichen Schwerpunktgebiet. Entscheidend ist eine gemeinsame Erwartungshaltung über die Rolle der Rechtsabteilung sowie eine gemeinsame Vorstellung über unternehmenskulturelle Fragen und Arbeitsweisen.
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Das Buch „Unternehmensinterne Rechtsberatung“ gibt einen praxisbezogenen Einstieg in das Arbeitsfeld. Zielsetzung ist ein Überblick über die Themenkreise, mit denen Unternehmensjuristen und -juristinnen typischerweise befasst sind, wie diese einzuordnen sind und auf welche wesentlichen Gesichtspunkte es in der Praxis ankommt.