Seit 13 Jahren arbeite ich als Coach, früher parallel zu meiner Aufgabe als Führungskraft im Konzern, heute zusätzlich zur Rolle als Hochschullehrer. Wenn man erzählt, dass man als Coach arbeitet, kommt häufig die Frage: „Wen oder was coachen Sie denn?“ In den Anfangstagen – das geht den meisten so – lautete eine ehrliche Antwort: „Ich bin froh über jeden, der kommt und mich bezahlt.“ Wenn es gut läuft, ändert sich das jedoch mit dem Level an Coachingerfahrung und dem eigenen Karrierefortschritt. In den letzten Jahren coache ich vornehmlich höhere Führungskräfte aus dem gehobenen Mittelstand und im Konzernumfeld. Hier einige Veränderungen, die mir in diesem Kontext aufgefallen sind.
Der Inhalt der Coachinggespräche ändert sich
Obschon man argumentieren kann, dass alle Coachingprozesse strukturell ähnlich verlaufen, konnte ich beobachten, dass sich im Coaching mit höheren Führungskräften neue Themen auftun, die bei Menschen ohne Führungsrolle oder am Anfang ihrer Führungslaufbahn kaum auftauchen. Zu Beginn müssen Menschen vor allem Entscheidungen über Dinge und Sachverhalte treffen. Mit der ersten Führungsrolle kommen dann Entscheidungen über andere Menschen hinzu. Bei höheren Führungskräften wird zusätzlich die politische Arena des Unternehmens (und darüber hinaus) wichtig. Denken Sie beispielhaft an eine Führungskraft der zweiten Ebene, die zwischen den Erwartungen mehrerer Vorstandsmitglieder sowie jenen der Eigentümerfamilie des Unternehmens aufgerieben wird. Selbstredend gibt es solche Rollenkonflikte auch weiter unten, aber sie gewinnen mit dem hierarchischen Aufstieg an Geltung und potenzieller Gefährlichkeit. Die Luft wird oben dünner, das prägt auch die Themen im Coaching.
Die Ziele der Coachingprozesse ändern sich
Zudem konnte ich beobachten, dass sich die Ziele der Coachingprozesse weiterentwickeln, wenn man beginnt, mit höheren Führungskräften zu arbeiten: Es geht zunehmend weniger darum, konkrete Probleme zu lösen. Warum? Weil es für komplexe Herausforderungen schlicht und ergreifend keine einfachen Lösungen gibt, sondern nur Entscheidungen, die mit bestimmten Vor- und Nachteilen einhergehen. In Einführungswerken lässt sich nachlesen, Coaching sei ein lösungsorientierter Prozess – dem ist prinzipiell zuzustimmen. Je hierarchisch exponierter eine Person ist, desto weniger geht es jedoch darum, konkrete Lösungen für konkrete Probleme zu finden. Manager und Managerinnen auf den unteren Ebenen einer Organisation werden dafür bezahlt, Aufgaben zu bearbeiten. In höheren Sphären geht es zunehmend darum, sich in einer produktiven Weise Spannungsfeldern, Dilemmata und Paradoxien zu widmen. Diesen Situationen ist immanent, dass jede Lösung nur „zum Preis von …“ zu haben ist, dass also jedes Ergebnis neue Herausforderungen heraufbeschwören wird.
Das eigentliche Ziel von Coaching im Top-Management liegt folglich regelmäßig darin, neue Probleme zu finden. Der Coachingerfolg zeigt sich darin, dass diese neuen Probleme besser sind als die alten.
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